StreetKids| Presseartikel 10-jähriges Jubiläum

Gelnhäuser Neue Zeitung, Rubrik „Zeitgeister“, 16. November 2002

10 Jahre StreetKids – Kindertheater Rothenbergen

Im Moment der Aufführung verschwindet die Hemmschwelle

Vor einigen Jahren passierte es bei einer Aufführung des Theaterensembles Rothenbergen: ein fünfjähriges Mädchen schleicht sich still und heimlich auf die Bühne. Sie will bei ihrem Papa sein, auch mitspielen. Damals begann einigen der Laienschauspieler zu dämmern, dass Nachwuchs für die Theatergruppe nicht nur gebraucht wird, sondern durchaus vorhanden und bereit ist, die Bretter, die die Welt bedeuten, zu betreten. Es sollten noch einige Jahre vergehen, doch die Idee einer Kindertheatergruppe war geboren.

1992 war es dann soweit: Unter der Leitung von Reiner Joh und Mirja Gudlicher wurde die Kindertheatergruppe des Theaterensembles Rothenbergen gegründet. „Till Eulenspiegel“ war das erste Stück, das die 15 Kinder vor zehn Jahren einstudierten.

Seitdem gingen in Rothenbergen viele Stücke über die Bühne: Märchen, Kinderbuchadaptionen und Kriminalgeschichten, aber auch sozialkritische Stücke wie „StreetKids“. Mit diesem Stück waren die Rothenbergener so erfolgreich, dass es der Theatergruppe 1997 ihren Namen gab.

Auch im aktuellen Stück spielen 15 Kinder mit. Natürlich sind es mittlerweile nicht mehr die gleichen Darsteller wie am Anfang. Philipp Dietz, Axel Gerhardt, Carina Hoffmann und Michaela Kolf, einst „Gründungsmitglieder“ der StreetKids, sind mittlerweile ins Erwachsenenlager gewechselt und spielen im Theaterensemble Rothenbergen mit. Das kleine Mädchen, das ganz am Anfang den Stein des Anstoßes gab und den Papa auf der Bühne besuchte, heißt Janina Sell, ists heute 18 Jahre alt und spielt im aktuellen Theaterstück der Street Kids „Bille und die Weihnachtsfee“ die Titelrolle.

Doch obwohl aus kleinen Schauspielern große werden, kann sich die Kindertheatergruppe über mangelnden Zulauf nicht beklagen. Wenn ein neues Stück geplant wird, spricht sich das schnell im Ort herum. Viele Neuzugänge erscheinen auch, weil sie selbst vorher begeisterte Zuschauer waren.

Die Leitung der munteren Truppe haben mittlerweile drei Frauen in die Hand genommen: Marina Sell und Sabine Sykala vertreten die Kindertheatergruppe im Vorstand. Anke Joh ist seit 1997 für die Regie verantwortlich. Die Herausforderung liegt laut ihr in der „Vermittlung des Rollentausches an die Kinder“. Denn zu Anfang lesen die Kinder den Text einfach nur ab. Es dauert eine Weile, bis sie lernen, wirklich zu spielen.

Jedes Jahr nach den Sommerferien beginnen die Proben für die kindgerechten Stücke, die in der Vorweihnachtszeit aufgeführt wird.

Die Altersspanne der jungen Akteure liegt zwischen 9 und 19. Ein jüngeres Alter ist nicht günstig, weil gutes Lesen eine Voraussetzung für die Teilnahme an der Theatergruppe ist. Trotz diesem großen Altersunterschied gibt es jedoch innerhalb der Gruppe keine Reibereien, erklärt Anke Joh. Sie ist es auch, die mit den Kindern am Anfang bespricht, dass sie zusammen mit ihrer Rolle auch ein Stück Verantwortung übernehmen und deswegen zu den Proben montags um 17.30 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus regelmäßig erscheinen müssen.

Bei den Proben kann es zwar durchaus albern zugehen, doch die kleinen Schauspieler nehmen ihre Aufgabe sehr ernst. Bis zu einer bestimmten Frist haben alle ihre Texte auswendig gelernt, so dass sie etwa acht Wochen vor dem Auftritt ohne die Drehbücher auskommen. Schwierigkeiten gibt es laut Anke Joh lediglich bei Szenen, in denen das Schamgefühl der Pubertät das Schauspielern erschwert. Berührungsängste zwischen Jungs und Mädchen – beide Geschlechter sind in der Gruppe übrigens ausgewogen vorhanden – sind keine Seltenheit. Doch Anke Joh weiß: „Diese Hemmschwelle wird spätestens im Moment der Aufführung überwunden.“

Eine Aufführung allein wäre für die quirligen Jungschauspieler natürlich nicht ausreichend. So wird das Stück nicht nur am Wochenende vor dem ersten Advent gespielt, sondern auch noch bei zwei Schulaufführungen in Rothenbergen und Lieblos und auch bei Kinderweihnachtsfeiern. Die Dauer der Stücke liegt zwischen 45 Minuten und einer Stunde, aus Rücksicht auf die jungen Zuschauer.

Zum Bedauern der Gründauer Schauspieler finden meistens nur wenige Zuschauer den Weg in ihre Vorstellung. Meist setzt sich das Publikum aus Freunden, Verwandten und Vereinsangehörigen zusammen. Dies erscheint Anke Joh unverständlich, zumal die Eintrittspreise mit 1,50 € als sehr günstig zu bezeichnen sind. Doch Anke Joh ist optimistisch eingestellt: „Wir freuen uns über die, die da sind und ärgern uns nicht über die, die nicht da sind!“

Aber bei den Street Kids wird nicht nur geschauspielert. Alle zwei Jahre gibt es einen gemeinsamen Ausflug in einen Vergnügungspark. Diesen Sommer ging es ins Phantasialand. Diese Ausflüge sind so beliebt, dass jedes Mal auch einige Erwachsene daran teilnehmen.

Die nächste Aufführung steht unmittelbar bevor: am 23. November um 16 Uhr stehen die StreetKids mit „Bille und die Weihnachtsfee“ auf der Bühne im Gemeinschaftshaus Rothenbergen. Karten sind ab 15.30 Uhr an der Tageskasse erhältlich. Passenderweise ist das Jubiläumsstück das erste, das nicht vom Theaterverlag gekauft wurde, sondern aus eigener Feder stammt. Elke Dreßbach, die Vorsitzende des Vereins, hat es geschrieben.

Tanja Bruske