Wussten Sie schon, dass wir nicht die erste Theatergruppe in Rothenbergen sind?!
Als sich unser Verein 1986 gründete, gab es bereits 38 Jahre zuvor eine aktive „Laienspielschar“ in Rothenbergen.
Lesen Sie hier die interessante Entstehungsgeschichte, verfasst von Heinrich Goy. Diese erschien im Gelnhäuser Heimat-Jahrbuch 2018.
Ein gut gelungener Start – die „Laienspielschar Rothenbergen“
Es war schon eine Zeit in der man keine Ansprüche haben durfte. Man musste zufrieden sein, mit dem, was gerade zur Verfügung stand. Wenn man etwas Ablenkung von dem tristen Alltag suchte, musste man in der Umgebung suchen. In unserem Dorf gab es keine Möglichkeit dazu. Es gab zwar die Gelegenheit, ein Kino zu besuchen, aber das war schon wieder mit Schwierigkeiten verbunden, denn der Weg dorthin war weit. Wer hatte damals schon ein Fahrrad? Es kam oft vor, das man das abgestellte Rad nicht mehr vorfand, wenn man zurückfahren wollte. Da ließ man das Rad lieber zu Hause, denn wenn es weg war, gab es keinen Ersatz zu kaufen.
Oft sind wir Jungens 5 bis 8 Kilometer gelaufen, um einen amerikanischen Film mit deutschen Untertiteln zu sehen. Aber am liebsten liefen wir „Zum Bierschorsch“ wenn die „Alzenauer Operettenbühne“ ein Gastspiel gab. Die älteren Leute, die nicht mehr so gut zu Fuß waren, konnten da leider niht mehr teilnehmen. Öffentliche Verkehrsmittel gab es nicht, und motorisierte Verkehrsmittel konnte man an den Fingern abzählen. Einige Jungens hatten damals in einem alten Holzcontainer – einem Überbleibsel der Luftwaffe – aus Spaß an der Freude und Tatendrang ein kleines, aber feines Puppentheater aufgebaut und damit den Kindern aus dem Dorf und der näheren Umgebung große Freude bereitet.
Da kam dann auch ab und zu mal ein Erwachsener mit, um sich das mal anzusehen. Langsam entstand der Gedanke: das könnte man vielleicht doch auch mit einer großen Bühne versuchen. Diese Idee fiel auf fruchtbaren Boden. Es bildete sich ein ca. 8 köpfiger Kreis und diskutierte positiv darüber. Aber man fand keinen Standort dafür. Der sollte ja auch leicht erreichbar sein.
Im 1. Quartal 1948 kündigte der Mieter des großen Saales in Rothenbergen den Mietvertrag. Jetzt war der Standort gefunden! Wir durften den für damalige Verhältnisse riesigen Saal nutzen. Der Saal war seit Kriegsbeginn zuerst als Geschirrlager von der Luftwaffe (Flugplatz Rothenbergen) beschlagnahmt. Dann benutzten ihn die US-Amerikaner eine Zeitlang als Frontkino. Zuletzt schlug eine Ölhandelsfirma ihr Lager darin auf. Dementsprechend war auch der Zustand. Die Bühne war total entfremdet. Keine Kulissen, kein Vorhang, keine Beleuchtung. Diese Renovierung mussten wir, die dem Fußballverein „Germania Rothenbergen“ eingliederte, inzwischen benannte „Laienspielschar Rothenbergen“ selbst durchführen. Inzwischen hatte sich das natürlich schon herum gesprochen, und wir bekamen bei den anfallenden Arbeiten und der Beschaffung der erforderlichen Materialien, was damals gar nicht so einfach war, Hilfe von Vereinsmitgliedern und Gönnern.
Unsere Truppe bestand am Anfang hauptsächlich aus 16- bis 20-jährigen Jugendlichen, die mit sehr viel Idealismus an die Arbeit gingen und ihre ganze freie Zeit einbrachten. Die meisten gingen noch in die Lehre bei Handwerksbetrieben der Umgebung. Deren Meisten waren auch positiv eingestellt und ließen viele Arbeiten in ihren Werkstätten zu. Der Schreiner durfte die Kulissenrahmen zusammen bauen, der Elektriker die Beleuchtungsanlage, der Büroangestellte vervielfältigte die zu spielenden Rollen für die entsprechenden Darsteller. Wir bekamen auch viel Hilfe von interessierten Mitbürgern – sei es beim Bespannen, Bemalen, Auf- und Zusammenbau der gesamten Bühnenanlage. Der Standort war gesichert. Jetzt konnten auch ältere Leute und Kinder zu den Vorstellungen laufen. Die Puppenbühne hatte ausgediehnt.
Die erste Aufführung fand im Spätherbst 1948 mit dem Schwank „Ein strammer Junge“ im Rahmen einer Veranstaltung des Fußballvereins statt. Es wurde ein grandioser Erfolg. Es kamen viele Bürger, die gerne mitspielen wollten hinzu. Die „Laienspielschar Rothenbergen“ hatte sich etabliert und widmete sich jetzt auch mit Erfolg anderen Theaterstücken: u.a. „Die spanische Fliege“*, „Der Meisterboxer“* und etliches anderes.
Um 1950 war die Truppe so bekannt, dass der Kreis Gelnhausen mit der Frage an sie herantrat, ob sie bereit sei, im Kreisgebiet aufzutreten und den Erlös dem sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Mit Begeisterung stimmten wir zu. Das war doch auch die Möglichkeit, einmal in eine andere Gegend zu kommen. Der Kreis stellte den Bus zur Verfügung, der damals noch mit Holzgas betrieben wurde. Wir luden unsere Utensilien auf und ab ging es.
Von Lohrhaupten im Spessart bis Schlierbach im Vogelsberg sowie in der näheren Umgebung waren wir unterwegs. Es gab immer andere Bekanntschaften. Es war eine schöne Zeit. Als dann das Fernsehen so um 1960-1965 immer mehr Sender und Programme anbot und auch andere Freizeitangebote entstanden, sank die Zahl der Besucher allmählich ab. Auch wechselten die Interessen der jüngeren Generation, was eine wesentliche Rolle dabei spielte. Schweren Herzens entschied man, die Vorstellungen vorübergehend einzustellen. Die Kulissen und andere größere Utensilien wurden bei einem Mitglied der Truppe in einer Scheune eingelagert. In manchen Köpfen bestand immer noch der Gedanke an eine eventuelle Wiederverwendung. Aber nach fast 20-jährigem Bestehen stellte die „Laienspielschar Rothenbergen“ ihre Auftritte gänzlich ein. Die Ära war zu Ende
Heinrich Goy im Gelnhäuser Heimat-Jahrbuch 2018 (ISBN 978-3-9808424-5-7)
Hervorherbungen durch TER.
* Diese Stücke haben wir ebenfalls aufgeführt. Die spanische Fliege, Der Meisterboxer